Kein Grabungspraktikum wegen Corona? Von wegen!!!

Um im Studium auch Grabungspraxis zu erlernen, haben wir uns für die Grabungsarchäologie eingeschrieben und waren schon sehr gespannt im Englischen Garten besondere Funde machen zu können. Leider kam auch hier Corona dazwischen und unsere Dozierenden mussten einen kreativen Weg finden, trotz dieser Umstände, doch noch graben zu können. Durch ein Online-Grabungspraktikum wurde dies möglich.

Wie bei der ursprünglich geplanten Präsenzveranstaltung wurden 3 Tage für das Onlinepraktikum angesetzt. Am ersten Tag erhielten die einzelnen Teams jeweils Luftbilder des MUAFS-Projektes mit einem Ausschnitt unterschiedlicher Bereiche. Anhand dieser Bilder führten wir einen Fernerkundungssurvey durch und erkundeten die Gebiete im Detail am Bildschirm. Dabei lag der Fokus darauf die gefundenen Strukturen in Kategorien einzuteilen; unser Team hat sich dabei für eine farbliche Kodierung entschieden. So konnten verschiedene Strukturen und allgemeine Beobachtungen sichtbar gemacht werden.

Um keine Strukturen zu übersehen, analysierten und diskutierten wir gemeinsam unser Gebiet von Norden nach Süden und von Westen nach Osten. Anschließend bereiteten wir unsere Ergebnisse auf, um sie am nächsten Tag unseren Mitstudierenden und dem Lehrteam vorzustellen. Die von uns identifizierten Funde, waren oft nicht genau das was wir vermutet hatten und moderne Bauten und Spuren von Bauarbeiten und Feldarbeiten hatten leider oft Strukturen überdeckt, die archäologisch sehr interessant gewesen wären. Daher ist es unbedingt notwendig, das Areal auch real zu begehen, da nur so gewissen Formationen sichtbar sind oder erkannt werden können. Allerdings kann der Luftbildsurvey einen ersten Eindruck über das Gebiet geben, bevor man mit der Grabung beginnt.

Abbildung 1: Luftbild von Ginis/Kosha Ost (MUAFS Konzession) mit eingezeichneten Strukturen (Karte: Cajetan Geiger, Einzeichnungen: Markus Kutschka).

Am folgenden Tag erhielten wir einen Einblick in Bereiche der Photogrammatrie (Photoscan/3D-Erstellung). Dabei wurde uns von Cajetan Geiger der Vorgang bei der Erstellung einer 2D-, „2,5“D- und 3D-Abbildung von Grabungsbefunden gezeigt. Diese Abbildungen basieren auf geodätischen Daten, welche durch die Einmessung mit einem Tachy(meter), einem Gerät zur Messung von Horizontal- bzw. Vertikalwinkel und der Distanz, gewonnen wurden, und Bildern, die vor Ort aufgenommen werden. Es werden zuerst die Bilder ins Programm eingelesen, die im nächsten Schritt überprüft werden sollten, um ungeeignete Bilder, die zu unscharf waren oder auf denen zu viele Schatten zu sehen sind, auszusortieren; dies ermöglicht ein möglichst gutes und weiterverwendbares Ergebnis.

Im nächsten Schritt werden Marker mit Koordinaten der Einmessung auf den Bildern an den jeweiligen Stellen gesetzt. Damit lässt sich nun eine sogenannte Punktwolke („Dense Cloud“) erstellen, indem die Software gleiche Punkte auf den Fotos erkennt und diese „verbindet“. So kann eine Rekonstruktion erstellt werden, die im besten Fall nur wenige Millimeter vom Original abweicht. Als nächstes wird die Dense Cloud verdichtet zu einem Mesh, damit eine zusammenhängende Oberfläche entsteht, indem das Programm die dazwischenliegenden Punkte berechnet und zu einer zusammengehörigen Fläche verbinden kann. Für weitere Analysen und publikationsmögliche Abbildungen sind ein Digitales-Gelände-Modell (DEM; „2,5“D-Model) und ein Orthomosaik, bei dem alle Bilder zu einem Bild zusammengefasst werden, notwendig.

Trotz der ganzen fortschrittlichen Technik ist in den meisten Fällen eine Zeichnung des untersuchten und fotografierten Gebietes unerlässlich. Denn auf der Zeichnung können noch viel feinere, oft auch persönlich betrachtete Strukturen und Abgrenzungen eingezeichnet werden, welche bei Fotographien und Konstruktionen verloren gehen könnten. Daher kann die Kombination aus Orthomosaik und Feldzeichnung als eine sehr geeignete Variante angesehen werden.

Als nächste Aufgabe erwartete uns eine Übung zur Stratigraphie bzw. Grabungstechnik. Doch wie sollten wir online graben? Patrizia Heindl hatte hier die Idee, dass sich jeder einen eigenen „Fundplatz“ machen sollte in Form eines Marmorkuchens, in diesen man „Fundstücke“ wie Nüsse, kleine Früchte, Butterkekse oder ähnliches einbacken sollte. Dabei ist wichtig, dass der helle und dunkle Teig im besten Fall immer einzelne Schichten ergeben sollte und die Funde so eingebacken werden sollten, damit sie auch der jeweiligen Schicht zugeordnet werden können. Dies hatte es uns ermöglicht einen kleinen Einblick in die Grabungspraxis zu erhalten. Da Sandra ihren fertig gebackenen Kuchen noch sehr traurig aussehend fand, hat sie den Kuchen noch etwas dekoriert.

In der praktischen Übung wurden dann die einzelnen Arbeitsschritte einer Grabung an einem Stück unseres Kuchens ausprobiert. Mit einem großen Messer haben wir den ersten Schritt vollzogen, das Erstellen des Baggerplanums, und uns angesehen, welche Befunde hier schon vorliegen. Diese würden in Realität mit Befundnummern versehen und dokumentiert werde. Für die nächsten Schritte gibt es verschiedene Möglichkeiten weiter zu graben: entweder nach natürlichen oder künstlichen Schichten, die je nach Notwendigkeit und Bedarf ausgewählt werden. Es werden Profile angelegt und diese dokumentiert. Auf diese Weise arbeiteten wir uns durch unseren Kuchen und machten verschiedenste „Funde“. Selbstverständlich kam das Kuchenessen dabei auch nicht zu kurz.

Abbildung 2: Dekorierter Stratigraphiekuchen (Foto und Kuchen: Sandra Kraus).
Abbildung 3: Dekorierter Stratigraphiekuchen (Foto und Kuchen: Iulia Comsa).

Da Iulia schon an einem realen Grabungspraktikum in Italien teilnehmen durfte, kann so ein Vergleich gezogen werden. Erstens: es war natürlich bequemer innerhalb einer Küche oder eines Zimmers einen Kuchen zu backen und später aus diesem auszugraben, als draußen in der Hitze und/oder im Schlamm stundenlang zu sitzen. Zweitens: die Bekleidung, die man bei einer Ausgrabung braucht (in Italien: schwere Arbeitsschuhe, Handschuhe, Arbeitshosen und weiße Hemden) werden beim Backen und bei der „Ausgrabung“ der Torte nicht benötigt. Drittens: die Werkzeuge der Ausgrabungsaktivität unterscheiden sich. Bei einem Kuchen benötigt man Küchengeschirr, das bei einer in-Vivo-Ausgrabung durch Kellen und Bürsten ersetzt wird. Viertens: die Zusammenarbeit mit anderen Archäolog*innen ist bei einer Ausgrabungsstelle „Herz und Seele” und kann bei einer Online-Kuchen-Ausgrabung nicht umgesetzt werden. Fünftens: man kann überraschenderweise eines bei beiden Methoden machen, und zwar Singen. Bei einer Ausgrabung, wird oft Musik benutzt, um diese entspannter zu gestalten. Beim Mitsingen wird man gegebenenfalls von Touristen seltsam angestarrt, aber davon sollte man sich einfach nicht ablenken lassen. Zusammenfassend kann man feststellen, dass es viel bequemer ist durch eine Ausgrabungstorte die stratigrafische Ausgrabungsmethode zu lernen. Aber es ist nicht mit einer realen Ausgrabung zu vergleichen, insbesondere da man die anderen Mitglieder des Ausgrabungsteams beim Essen des Kuchens sehr vermisst.

Den zweiten Tag beendeten wir mit dem Zeichnen von Keramik. Dabei durften wir uns ein Stück Keramik aussuchen, welches von Julia Budka dann für uns gezeichnet wurde. Dabei lag der Fokus darauf, dass wir mit ihr die einzelnen Arbeitsschritte durchgingen und gemeinsam erörterten wie man die Scherbe orientiert, abmisst und in korrekter Weise auf das Papier bringt. Dabei spielen die korrekte Handhabung der Messgeräte, räumliches Denken, sowie Präzision eine große Rolle. Zuerst werden Richtlinien mit der Höhe einer Scherbe angelegt, an denen man sich für die Zeichnung orientieren konnte. In der Ägyptologie wird allgemein die Außenansicht links einer senkrechten Mittellinie und die Innenansicht rechts dieser Mittellinie gezeichnet. Nun wird die Keramik unter regelmäßiger Abmessung detailgetreu (nach-)gezeichnet. Es war toll zu sehen, wie die Abbildung immer mehr Form annahm und man das Scherbenstück darin wiedererkennen konnte. Vor allem das Einzeichnen bestimmter Merkmale verlieh der Zeichnung Charakter und machte es letztendlich sehr realistisch.

Am dritten und letzten Tag wurden wir in die Basics der digitalen Zeichnung von Patrizia Heindl eingeführt. Dies ist der weiterführende Schritt der mit der Hand gemachten Zeichnung, damit diese auch später in Publikationen abgedruckt werden kann. Für die Digitalisierung ist eine gute Grundlage unerlässlich und entspricht einer digitalen Umzeichnung. Die Erschaffung der digitalen Zeichnung ist wirklich faszinierend und hat uns sehr viel Spaß gemacht.

Als nächstes folgte die Fotografie von Objekten, z. B. für Publikationen. Dabei wurde uns von Giulia D’Ercole, Cajetan Geiger und Julia Budka zunächst erklärt wie wichtig die korrekte Einstellung der Kamera ist. Sowohl optimale Lichtverhältnisse, als auch ein passender Hintergrund haben auf ein optimales Bild sehr viel Einfluss und können die Nachbearbeitungszeit erheblich verkürzen, wenn nicht sogar komplett überflüssig machen. Die Nachbearbeitung und Optimierung der geschossenen Fotos dürften wir auch mitverfolgen und es war sehr spannend zu sehen, welche Auswirkungen die einzelnen Einstellungen auf die Qualität der Fotos haben.

Als abschließende Einheit durften wir uns mit Marion Scheiblecker verschiedenste Luftbilder aus Teilen Bayerns ansehen, um zu entscheiden welche Prospektionsmethode, d.h. zerstörungsfreie Methoden zum Auffinden von Strukturen und Stätten im Boden, am geeignetsten wäre. Diese Methoden sind sinnvoll, um erste Informationen bezüglich der darunter vermuteten archäologischen Befunde zu erhalten. Man unterscheidet grundlegend zwischen Prospektion über Magnetprospektion, über die elektrische Leitfähigkeit und über Radarmessungen des Bodens. Auch hier war es sehr interessant zu sehen, was man aus den bayerischen Luftbildern schon alles „ablesen“ konnte und was unter unseren Feldern versteckt liegen könnte.

Als Fazit dieser drei Tage lässt sich grundlegend feststellen, dass wir in unserem Team vergleichsweise unsicher an diese Art eines Grabungspraktikums herangegangen sind und keinerlei Vorstellungen hatten, wie man diese Art von Praktika online umsetzen könnte. Letztendlich war die Umsetzung aber mehr als überragend und im Gesamten wurde uns ein wunderbarer Einblick in die verschiedenen Methoden und praktischen Anwendungen gegeben. Wir freuen uns sehr darauf, das Gelernte in der Corona-freien Zeit anwenden zu können.

Die Autor*innen sind BA Studierende der Ägyptologie an der LMU.